Welche grossen Entscheidungen hast du schon in deinem Leben treffen müssen? Wie leicht sind sie dir gefallen?

Je nach Studie trifft der Mensch an einem Tag zwischen 122 und 35’000 Entscheidungen, was so viel heisst wie: keiner weiss es so genau. Auf alle Fälle sind es ziemlich viele, bewusste wie unbewusste. Und bei den bewussten Entscheidungen entscheidet sich angeblich die Durchschnittsperson mindestens 2 Mal wieder um, 20% sogar 5 Mal. Wenn du auch zu den knapp 70% der Menschen gehörst, die sich mit Entscheidungen schwertun, dann solltest du jetzt entscheiden: weiterlesen…

Wie geht das also mit dem Entscheiden?

Das kann doch nicht so schwer sein!

Doch! Ist es. Manche Menschen, man sagt, vor allem die der Spezies Frau, verzweifeln schon am Morgen beim Blick in den Kleiderschrank, andere erst bei wirklich weitreichenden Fragen wie: «Soll ich meinen Job kündigen?», «Möchte ich Kinder?» oder «Wandern wir nach Alaska aus?»
Entscheidungen zu treffen, bedeutet für dein Hirn, Höchstleistungen zu erbringen. Es kann dabei bis zu 30% der gesamten Körperenergie verbrauchen – bei einem Gewicht von nur ca. 1’300 Gramm. Bei professionellen Schachspielern sind es sogar noch mehr. Es ist also eine aufwändige und anstrengende Angelegenheit. Wer physisch und psychisch fit ist und zudem noch gut geschlafen hat, ist beim Entscheiden schon mal klar im Vorteil.

Achtung Denkfehler!

Zusätzlich lähmen tun uns klassische Denkfehler, allen voran dank unserer überbehüteten Welt ein ausgeprägtes Sicherheitsdenken und die Angst davor, die Konsequenzen der Entscheidung nicht ausreichend kontrollieren zu können. Aber mal ganz ehrlich: gibt es jemanden auf der Welt, der die Zukunft kontrollieren kann? Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber du kannst mögliche Zukunftsszenarien ausarbeiten und dir überlegen, wie du damit umgehen wirst, sollten sie eintreten. Damit wird jede Entscheidung leichter.

Ein weiterer verbreiteter Denkfehler ist eine unrealistische Bedeutung, die der Entscheidung beigemessen wird. Das kann sich entweder darin äussern, dass du meinst, es gibt nur EINE richtige Entscheidung, oder dass du das Gefühl hast, ein Fehlentscheid führe auf direktem Weg in den Abgrund deiner Existenz. Beides ist natürlich masslos übertrieben.

Denkfehler Nr. 3 ist ebenso eine Eigenproduktion des Hirns: die Angst vor dem eigenen inneren Kritiker, der dir einen Fehlentscheid NIE und NIMMER verzeihen wird und dich dafür für immer in der HÖLLE schmoren lassen wird.
Bei diesem dritten Denkfehler ist es natürlich möglich, dass es nicht der innere Kritiker, sondern tatsächlich eine echte Person aus Fleisch und Blut ist, vor deren Zorn zu dich fürchtest, z.B. eine vorgesetzte Person. In dem Fall wäre es wahrscheinlich ratsamer, bezüglich dieser Person eine Lösung zu finden. Vielleicht löst sich deine Entscheidung dann in Luft auf…

Spass beiseite: in dem Fall hilft nur eins: die Entscheidung so gründlich wie möglich zu treffen. Dann kannst du jedem internen oder externen Kritiker hinterher darlegen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung alle vorhandenen Faktoren berücksichtigt wurden – und NIEMAND die Zeit nach der Entscheidung voraussehen kann. Womit wir wieder beim ersten Denkfehler wären: Eine 100-prozentige Sicherheit wird es nie geben.

Was ist eine gute oder richtige Entscheidung?

Das war schon mal anstrengend. Die Denkfehler hast du umschifft und genug Energie zum Entscheiden ist auch da. Dann stellt sich die Frage, wie du jetzt also zu einer so-richtig-wie-möglichen Entscheidung kommst. Aber was ist überhaupt «richtig»?
Die harte Antwort: das weisst nur du! Denn sie muss für dich, mit all dem Wissen, das du im Moment der Entscheidung hast, die richtige sein. Und sie muss sich «richtig» anfühlen.
Um dorthin zu kommen, gibt es verschiedene Strategien, die durchaus miteinander kombiniert werden können, und – wenn man den Gelehrten traut – auch kombiniert werden sollten.

Ist das eine einfache Entscheidung?

Bist du eine Person, die schon morgens vor dem Kleiderschrank verzweifelt und sich danach fünfmal umentscheidet? Dann hast du wahrscheinlich erst recht Probleme, wenn es um längerfristige Entscheide geht. In jedem Fall kann ein erster Schritt eine Selbstcoaching-Frage sein: Auf einer Skala von 1 (irrelevant) bis 10 (lebensentscheidend), wie wichtig ist dieser Entscheid…

1)… morgen?

2)… in einem Monat?

3)… in einem Jahr?

4) …in 10 Jahren?

Um beim Beispiel des Kleiderschranks zu bleiben: das bekommt wahrscheinlich nur bei 1) überhaupt eine Bewertung >1. Etwas, das nur heute oder für ein paar Tage wichtig ist, erhält das Prädikat «einfach». Darauf viel Energie zu verwenden, ist Verschwendung wertvoller Hirnernergie, die du für Wichtigeres aufsparen solltest. Du kannst würfeln oder deine Zahnbürste fragen, egal wie du entscheidest, dein Leben wird deshalb keinen Schaden nehmen.

Das Beispiel der Familiengründung dagegen erhält höchstwahrscheinlich die meisten Punkte bei den letzten beiden Fragen. Hier lohnt es sich also, den weiteren Entscheidungsprozess strukturierter anzugehen.

Wie geht das einfach, wenn es nicht einfach ist?

Nehmen wir also an: Es steht tatsächlich eine weitreichendere Entscheidung an: Potenzielle:r Kündigung, Kinderwunsch, Studiengang, Umzug etc.
Meistens gibt es ein paar offensichtliche Optionen, aber vor einer Überlegung, welches die Beste ist, lohnt es sich, noch einen Umweg zu machen, das heisst, nach möglichst vielen Optionen mit Hilfe der eigenen Kreativität, Recherchen oder durch Austausch mit anderen Menschen zu suchen.

Kopfentscheid oder Bauchentscheid?

Liegen die Optionen nun vor dir, wird es ernst. Welches ist nun die Beste? Die meisten fangen jetzt an, über Vor- und Nachteile jeder Option nachzudenken. Meiner Erfahrung nach gerät man damit in einen Hirnstrudel, denn die Vorteile der einen Option sind meist die Nachteile der anderen Option und vice versa. Am Ende bist du kein bisschen schlauer und dann lässt du deinen Bauch entscheiden und fragst dich hinterher, ob das so richtig war.

Das bessere Vorgehen besteht aus zwei Schritten:

  1. Schritt: gib dem Kopf eine Möglichkeit, die bestmögliche Empfehlung abzugeben
  2. Schritt: frag den Bauch, was er zur Empfehlung des Kopfes meint

Der Kopf kann am einfachsten dann eine Empfehlung abgeben, wenn er nicht Vor- und Nachteile in imaginäre Waagschalen werfen muss und nur schätzen kann, welche schwerer ist. Nutz stattdessen eine Bewertung anhand von Kriterien. Im geschäftlichen Kontext sind das oft Kosten, Qualität, Umsetzungsdauer. Im Privaten kannst du auch persönliche Werte als Kriterien ansetzen: zum Beispiel Sicherheit,  Loyalität oder Gesundheit. Wichtig: es müssen DEINE Kriterien sein, du solltest sie priorisieren und um die Übersicht zu behalten, sollten es nicht mehr als 5 sein. Ich gebe zu, vor dem Entscheiden gibt es schon einiges zu entscheiden – aber diesen Prozess auf dem Papier durchzugehen ist extrem wertvoll. Gibst du dann jeder Option bei jedem Kriterium eine Bewertung auf einer Skala von 1 (nicht erfüllt) -10 (vollständig erfüllt), so kristallisiert sich die Empfehlung deines Kopfes recht schnell heraus.

Aber jeder weiss, dass der beste Kopfentscheid oft nicht der richtige ist, wenn du nicht auch noch deinen Bauch fragst. Der weiss oft noch viel mehr als der Kopf, aber weil er keinen Mund hat, verstehst du ihn nicht – und mit dem «komischen» Gefühl kannst du ja wenig anfangen. Nun weiss man aber aus der Forschung, dass tatsächlich im Bauch, v.a. im Darm Millionen von Nervenzellen liegen. Man spricht hier auch vom Bauchgehirn. Ob da auch Erinnerungen liegen, die nicht mehr bewusst abgerufen werden können, weiss man nicht genau, aber so kannst du dir das zumindest mal vorstellen.

Dem Bauch kannst du mit verschiedenen Methoden Hilfestellung geben, um sich mit der Empfehlung deines Kopfs auseinanderzusetzen:

  • Tu für einen Tag mal so, als ob du die Kopf-Empfehlung schon entschieden hättest und frag dich an dem Tag immer wieder, wie es sich anfühlt, diesen Entscheid getroffen zu haben – auch wenn er noch nicht umgesetzt ist.
  • Spul dich gedanklich in die Zukunft unter der Vorstellung, dass du den Entscheid umgesetzt hast. Wie geht es dir bei dem Gedanken, jeden Morgen aufzustehen und in der «neuen» Realität dein Leben zu leben?
  • Schreib die zwei oder drei Optionen, die als Beste abgeschnitten haben, auf Zettel und lose einen aus. Wie geht es dir, wenn du das Los öffnest? Freust du dich? Oder hättest du lieber einen anderen Zettel gezogen?

So kommst du dann (hoffentlich) zu einem Entscheid, hinter dem Kopf und Bauch stehen können – und du kannst später jedem Kritiker Paroli bieten.
Dir selbst auch

Quellen:
– Study reveals how many decisions we make each day | Tech News | Metro News
35,000 Decisions: The Great Choices of Strategic Leaders (roberts.edu)
Gigerenzer, Gerd (2008) Bauchentscheidungen, Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, Goldmann Verlag
Kahnemann, Daniel (2012), Thinking fast and slow, Penguin Random House UK

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Die Autorin

Name: Christine Lang

Beruf: Betriebliche Mentorin, Coach, Dipl. Sport Mental Coach

Website: lustauferfolg.ch

Motto: «Persönlichkeit beginnt dort, wo du dich selbst kennenlernst»

Ausbildner in: Zertifikat Coach, Business Coach, Sport Mental Coach

christine-lang

Christine Lang ist selbst Leistungssportlerin auf internationalem Niveau. Nach langer Sportpause ist sie spät wieder eingestiegen und konnte durch mentale Arbeit fehlende technische Fähigkeiten wettmachen. Ihre Stärke ist der Einsatz des Mental Coachings nicht nur im Sport, sondern auch in der Geschäfts- und Berufswelt. Ihr Fokus im Sport liegt vor allem auf der praktischen Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Hirnforschung für sportliche Leistung. Die Themen Selbstreflexion, Visualisierung, Lernen, Angstbewältigung und Aufmerksamkeitskontrolle sind nur einige der Themen, in denen sie Wissenschaft mit praktischer Anwendung und eigener, langjähriger Erfahrung kombiniert.