Es ist Mitte Mai 2022. Der FC St.Gallen verliert den Fussball-Cupfinal gegen Lugano. Chaoten stürmen den Platz. Matthias Hüppi, Präsident des Ostschweizer Fussball-Traditionsvereins, hält sie erfolgreich zurück. Später wird er den Medienschaffenden sagen, diese Art von Gewalt lehne der FC St.Gallen in aller Form ab. Und: Dieses Verhalten spiegle nicht die Werte, die der Verein lebe. Werte und der Sport: Braucht ein Sportverein Werte? Braucht sie ein Athlet? Zweimal heisst die Antwort klar Ja. Warum ist das so wichtig?

Werte als Leitplanken für Athleten

Um diese Frage abschliessend zu beantworten, müssen wir den Begriff Werte erst einmal definieren. Werte, moralisch oder ethisch, sind die als gut befundene spezifischen Wesensmerkmale einer Person. Ganz losgelöst vom Sport. Das klingt komplizierter als es ist, denn in erster Linie beschreiben Werte die eigenen Vorstellungen darüber, mit welcher Haltung wir durchs Leben gehen. Neurobiologisch und somit evolutionär sind Werte mit einem eigens dafür vorgesehenen Areal im vorderen Hirnbereich angelegt. Evolutionär bilden Werte ein Mischsystem aus Emotionen und Gedanken, die uns eines geben: Orientierung. Und nun schauen wir zurück auf die ursprüngliche Frage: Warum sollte ein Wettkampf-Athlet seine Werte kennen? Genau wegen der Orientierung. Die Werte sind seine Leitplanken. Um die auf ihn zugeschnittene Orientierung zu finden, profitiert er von einem Setting bei einem Mental-Coach.

Wertehierarchie als Richtlinie

In einer Wertehierarchie erhält er Einblick in seine wichtigsten Werte als Mensch und Athlet. Bei guter Reflektion erkennt er schnell, wie gut er die Werte lebt, die er in sich trägt. Wenn ihm als Sportler Fairplay, Verantwortungsbewusstsein oder Respekt wenig bedeuten, ist er womöglich der falsche Spieler, um in einem Teamsport die Captainbinde zu tragen und mit gutem Beispiel voran zu gehen. Werte prägen uns. Wir leben sie. Deshalb reagierte der sonst zurückhaltende und stets sympathisch wirkende Matthias Hüppi vehement wenn nicht zu sagen, leicht aggressiv, auf die Provokation der wenigen Chaoten unter den sonst friedlichen Fans. Als Präsident toleriert er es nicht, wenn Werte des Vereins mit Füssen getreten werden. Dafür verdient er grossen Respekt. Gerade weil Sportvereine bei der Vermittlung von sozialen Werten zuletzt eine immer zentralere gesellschaftliche Rolle eingenommen haben, ist es für Vereinsführungen zunehmend wichtig, sich mit dem sogenannten Wertemanagement auseinanderzusetzen. Was macht den Verein aus und welche Werte sollen in ihm gelebt werden? Wie positioniert sich der Klub zu gesellschaftlichen und politischen Problemen? Und wie lassen sich werteorientierte Leitbilder entwerfen und glaubhaft vermitteln? Ein gut organisierter Verein muss diese Fragen beantworten und sich mit ihnen auseinandersetzen.

Unterschiedliche Gesellschaftskreise werden vereint

Um Antworten auf diese Fragen zu finden, gilt es zunächst zu erörtern, wofür der eigene Verein steht und welche Werte den Mitgliedern am Herzen liegen – sowohl im Spiel als auch abseits des Platzes. Von Einsatzbereitschaft und Mut über Optimismus und Siegeswillen bis hin zu Solidarität. «Werte sind Prägungen fürs Leben», sagt Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Bei seinem Grusswort anlässlich einer feierlichen Eröffnung eines Sportzentrums in Deutschland sagte er: «Die Werte, die der Sport Menschen vermittelt, sind universell. Leistungsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein, Teamgeist, Disziplin und Fairness sind nur einige dieser Werte, die unsere Gesellschaft, unser Miteinander, unser Leben in dieser Sportfamilie bereichern. Egal ob es Reiten, Leichtathletik oder Badminton ist.» Sport schweisst unterschiedliche Gesellschaftskreise zusammen. Gerade in der aktuellen politischen Situation mit der Flüchtlingsbewegung nimmt der Sport deswegen eine sehr wichtige Rolle ein. Auf einer Sportkonferenz bezeichnete ein Chefredakteur kürzlich den Sport als das «Master-Medium» der Integration. Nachdem die erste grosse Zuwanderung bewältigt und eine Art Stillstand im Sport überwunden sei, helfe der Sport in all seiner Vielfalt aktuell dabei, die Integration zu fördern und die politische Lösungssuche zu flankieren. Grosse Bundesligavereine wie der 1. FC Köln haben über ihr Fanprojekt Aktionen organisiert, die regelmässig Flüchtlinge und Fans zusammenbringen, um dem Alltag zu entfliehen und völlig losgelöst Sport zu treiben. Bleiben wir kurz im Zusammenhang mit Werten im Sport bei unserem Nachbarn in Deutschland. Die Geschichte liefert ein wunderbares Beispiel dafür, wie der Sport Menschen durch Werte und Ideologien von den Fesseln der Politik und Gesellschaft erlöst hat. Das alles vor bald 60 Jahren: Eines der wichtigsten Beispiele aus deutscher Sicht war die Zusammenlegung der Mannschaften aus BRD und DDR zu einem einheitlichen Deutschlandteam bei den olympischen Spielen 1964. Dies, obwohl die Berliner Mauer längst errichtet war. Wie wurde das möglich? Durch die Werte des Sports. Durch Teamspirit. Durch das Gefühl, gemeinsam etwas zu erreichen. Kommen wir weg vom Teamsport und schauen uns den Einzelsportler an, der mit einem Vereinswechsel liebäugelt. Inwiefern muss er seine Werte kennen, um die richtige Entscheidung zu fällen?

Wichtiges Hilfsmittel bei Vereinswechsel

Wir nehmen ein fiktives Beispiel eines erfolgreichen Eishockey-Goalies, der sich in der Schweiz etabliert hat. Seit mehreren Jahren ruft er seine Leistung in einer Konstanz ab, die andere Vereine auf den Plan bringt, ihn zu verpflichten. Da er trotz seinen grandiosen Leistungen eher jung ist, schafft er es auf den Radar von verschiedenen NHL-Scouts. Der Traum von vielen Schweizer Eishockeyspielern. Nun ist ein grosser Traum für unseren Goalie praktisch zum Greifen nach. Sein Dilemma: Demnächst möchte er seine langjährige Freundin heiraten und mit ihr zusammen eine Familie gründen. Der Lebensmittelpunkt soll die Schweiz sein. Andererseits ruft die wohl einmalige Chance, sich in der besten Liga der Welt zu behaupten. Was hat das mit Werten zu tun? Sehr viel. Priorisiert er in seiner individuellen Wertehierarchie die Familie über dem Sport, wird er kein Angebot aus Nordamerika annehmen. Will er die Karriere voll lancieren und ist dafür bereit seinen Familientraum um einige Jahre nach hinten zu schieben, dann wird er den Schritt wagen. So fiktional ist dieses Beispiel nicht. Glaubt man mehreren Experten der Schweizer Eishockey-Szene, so hat Nati-Goalie Leonardo Genoni vom EV Zug jeden seiner Vereinswechsel auch mit seinem Wertesystem abgeglichen. Die Geschichte hat Parallelen zu EVZ-Stürmer Gregory Hofmann, der sein NHL-Abenteuer nach weniger als einer Saison abgebrochen hat, um sein Kind in der Schweiz aufwachsen zu sehen. Jedoch wusste er bei seinem Wechsel nach Nordamerika, dass seine Frau und er bald Eltern sein würden. Ob er seine Werte in den Entscheid miteinbezogen hat, ist fraglich. Fakt ist, dass das Kennenlernen der persönlichen Wertehierarchie für Athleten ein wichtiger Baustein für ein solides mentales Gerüst ist. Ganz losgelöst von einem Vereinswechsel.

Quellenangaben:
– Robin Hollstein, firstlife.de

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Der Autor

Name: Simon Kalbermatten

Beruf: Sport Mental Coach, Ausbildner, Mentor, Radioprofi, Journalist, Autor

Website: simonkalbermatten.ch

Motto: Du kannst – Ende der Geschichte

Ausbildner in: Mentales Training im Sport

Simon Kalbermatten

Erfolg beginnt im Kopf – von diesem Grundsatz ist Simon Kalbermatten überzeugt. Wer sich ein realistisches Ziel setzt und die Bereitschaft hat, seine Ressourcen dahingehend optimal einzusetzen, wird Erfolg haben. Seit mehreren Jahren staunt Simon Kalbermatten darüber, was er durch das Training von mentaler Stärke aus den Fussballteams, die er trainiert, herausholt. Dass er als Walliser an der Sport Mental Akademie in Zürich gelandet ist, entspricht keinem Zufall. Menschen faszinieren ihn seit Jahren und der Sport interessiert ihn, seit er in den Kinderschuhen steckt. Demnach will er Sportler auf dem Weg zum Erfolg begleiten und ihnen Optionen aufzeigen, wie sie das Optimum aus sich herausholen können. Sein Motto lautet: «Du kannst – Ende der Geschichte.» Bist du bereit, deine Geschichte zu schreiben?