Stressmanagement gehört seit geraumer Zeit zu den top Themen in gefühlt sämtlichen Lebensbereichen. Im Beruf, Sport, der Schule und auch in der Freizeit wimmelt es vor stressigen Situationen und manch jemandem wird es in der Summe, verständlicherweise, mit der Zeit zu viel.
Glücklicherweise ist das Thema Stress immer weniger ein Tabu-Thema und Betroffene selbst, das Umfeld, sowie die Gesundheitsbranche kümmern sich immer mehr darum.
Ich beschäftige mich gerne mit diesem Thema, möchte jedoch nicht über gängige Stressbewältigungs-Strategien schreiben, sondern über meine persönliche Beobachtung davon, was Konfliktfähigkeit mit Stressprävention zu tun haben könnte.
Definition von Stress
Für das Verständnis von Stress stütze ich mich auf die Theorie gemäss Richard Lazarus, wonach durch bedrohlich eingestufte Situationen, für welche die vorhandenen Ressourcen nicht ausreichen, Stressreaktionen ausgelöst werden. Das Klarkommen mit den Stresssituationen (Stressbewältigung oder auch Coping genannt) kann gemäss Lazarus auf den Ebenen des Problems selbst, der emotionalen Erregung oder der Bewertung der Bedrohung stattfinden. Dies bedeutet beispielsweise:
Ebene des Problems selbst:
- Problemsituationen generell zu meiden oder ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen
Emotionale Erregung:
- In Problemsituationen tief durchzuatmen oder stärkende Selbstgespräche zu führen
Bewertung der Bedrohung:
- die Bedrohung aus einem anderen Blickwinkel anzuschauen und sie so als Herausforderung statt Bedrohung sehen zu können.
Die Liste an Beispielen für «Coping-Strategien» ist lang. Zudem sind heutzutage sehr viele und sehr gute Möglichkeiten bekannt, um den Umgang mit unserer Erregung von Gedanken, Verhalten und dem Körper zu erlernen und den eigenen Rucksack, zusätzlich zu den selbst entwickelten Strategien, mit professionellen Methoden zu füllen. Professionelle Coachs, die dabei unterstützen neue Erkenntnisse zu gewinnen und andere Blickwinkel zu bekommen, gibt es auch.
Eine Stress-Situation meistern – ja oder nein
Bei meiner Arbeit mit Menschen zum Thema Stress Situationen fällt mir persönlich etwas auf, dass ich spannend finde. Wenn Situationen bedrohlich sind, jedoch bewältigt werden wollen, und zwar weil sie zur eigenen Vision oder den eigenen Zielen als «zugehörig» empfunden werden, lassen sich meistens neue Strategien anhand der beschriebenen Handlungsebenen entwickeln.
Der Umkehrschluss beginnt von hinten. Sind keine neuen Strategien für die betroffene Person denk- oder erkennbar und subjektiv empfunden wurde schon alles erdenkliche probiert, scheint es meistens, als wäre die Ebene des Problems selbst nicht berücksichtigt worden. Dies kann im Gespräch den Anschein erwecken, dass die Situation gemeistert werden will. Sonst würde man sie ja meiden oder ihr möglichst aus dem Weg gehen. Beim genauen hinhören klingt es in der Regel jedoch oft so, dass sie gemeistert werden «sollte», «müsste» oder «eigentlich möchte». Die Bedeutung von «eigentlich» lasse ich an diesem Punkt gerne reflektieren oder Frage nach der tatsächlichen Notwendigkeit, die bedrohende Situation zu meistern, wenn es ja bloss «sollte» sein.
Der Lösung auf der Spur
Nicht selten folgen Schilderungen über unerfüllte, verdrängte und auferlegte Bedürfnisse – und nicht über fehlende Strategien, damit umzugehen. Diese scheinen aus dem neuen Blickwinkel erst recht perfektioniert, ausgereift und vielfältig zu sein. Oft besteht ein ausgeklügeltes Konstrukt, um mit der Situation umzugehen. Was beim Gang zum Coach aber oftmals ausgeschöpft ist, ist die Energie erneut Strategien zu entwickeln. Denn die eigentlich zu überwindende Situation scheint tatsächlich unüberwindbar geworden zu sein.
Entscheidend finde ich an diesem Punkt, welchen nächsten Schritt die betroffene Person machen möchte, also wie sie sich die Zukunft mit der Situation vorstellt.
Als Leitfragen habe ich mir folgende zwei gemerkt:
- Geht es darum mit der Stress-Situation klar zu kommen und sie zu meistern?
- Geht es darum die Stress-Situation zu verändern?
Gegensätzliche Bedürfnisse
In Konflikten stehen sich mindestens zwei unterschiedliche Bedürfnisse (auch Vorstellungen, Interessen, Erwartungen, Ziele) gegenüber. Solche Gegensätze finden wir bei uns selbst, zwischen uns und einer anderen Person, einer Gruppe oder auch Organisationen. Innerhalb einer Gruppe oder Organisation und zwischen Gruppen oder Organisationen finden wir ebenfalls Konflikte. Vom Inhalt her kann es sich beispielsweise um Zielkonflikte, Strategiekonflikte, Rollenkonflikte, Wertekonflikte, Identitätskonflikte oder Ressourcenkonflikte handeln. Lösen lassen sich die Gegensätze beispielsweise durch die Unterordnung eines Bedürfnisses oder durch einen Kompromiss der beides berücksichtigt.
Mit der Option der Konfliktlösung zur Änderung der Situation, öffnen sich neben dem Feld der «Situationsbewältigung» neue Optionen. Manchmal hat man bereits die Möglichkeit, im «geschützten» Rahmen des Coachings hinterfragen zu dürfen, ob die Situation tatsächlich gemeistert werden will und somit einen Stein ins Rollen gebracht. Das erlangte Bewusstsein, dass nicht neue Stressstrategien, sondern die Befriedigung von Bedürfnissen zur gewünschten Veränderung führen, hat schon einige Male spannende Wege eingeleitet.
Stress-Situationen gar nicht erst entstehen lassen
Konfliktlösefähigkeit kann es ermöglichen, eine Situation zu verändern, um daraus resultierende Stress-Situationen zu vermeiden oder ihnen aus dem Weg zu gehen. So kann Konfliktfähigkeit nach dem Modell von Lazarus als eine Coping-Strategie gesehen werden. Als Möglichkeit zur Prävention von Stresssituationen finde ich Konfliktfähigkeit jedoch noch spannender. Konfliktsituationen erkennen und konstruktiv bewältigen, lassen Situationen gar nicht erst bedrohlich werden und uns stressen.
Wie siehst du die zwei Themen, deren Zusammenspiel und Bedeutung? Teile gerne dein Wissen, deine Erfahrung oder einfach deine Gedanken dazu mit mir. Ich freue mich!
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Der Autor
Name: Andreas Baumgartner
Beruf: Mentaltrainer und Coach, Dozent
Website: kopfbenzin.ch
Motto: «Deine Mentalität bestimmt deine Realität»
Ausbildner in: Mentales Training im Sport
Andreas Baumgartner nutzt seine persönlichen Erfahrungen im Mental Training und bringt diese als Ausbildner mit ein. Andreas macht seine persönliche Erfahrung mit Mentaltraining als Langdistanz Triathlet, im Schiessen und in seiner mehrjährigen beruflichen Tätigkeit als Mitglied und Einsatzleiter in einem High Performance Team. Berufsbegleitend hat Andreas angewandte Psychologie studiert. Es bereitet ihm sehr viel Freude im sportlichen Umfeld zu arbeiten und seine fachlichen und praxisnahen Erfahrungen in diesen Bereich zu investieren.