Motiviertes Vergessen – leben lernen ohne traumatische Erinnerungen
Das Gedächtnis ist die ganz allgemeine Fähigkeit, sich Vorgänge und Begebenheiten zu merken, bis hin sich an traumatische Erinnerungen zu entsinnen. Es ist eine entscheidende Voraussetzung für die anschliessende Verhaltensweise, die behaltenen Eindrücke zu Erfahrungen zu verarbeiten – auf diese Weise wird sowohl das gegenwärtige als auch das zukünftige Verhalten in den relevanten Lebenssituationen beeinflusst und gesteuert.
Unterschieden wird in die drei Gedächtnisarten
- Ultrakurzzeitgedächtnis UKZG als Speicherung für einige Millisekunden
- Kurzzeit-/Arbeitsgedächtnis KZG ….. für wenige Sekunden bis Minuten
- Langzeitgedächtnis LZG ….. zur dauerhaften Speicherung
Das Vergessen ist der Erinnerungsverlust, in seiner Auswirkung also das Gegenteil des Gedächtnisses mit speichern und behalten. Etwas krass ausgedrückt ist Vergessen gleichbedeutend mit Gedächtnisverlust – und somit ein negatives bis krankhaftes Erscheinungsbild.
Vergessen – kurz erklärt
Medizin und Psychologie unterscheiden in verschiedene Arten und Formen des Vergessens.
Zu den bekanntesten Theorien gehören
- Interferenztheorie
- motiviertes Vergessen
- Spurenveränderungstheorie
- Spurenverfallstheorie
- Vergessen bedingt durch Krankheit und Traumata wie Alzheimer, Demenz, Amnesie oder traumatische Erinnerungen
Vergessen als solches wird oft und gern als Fehlleistung des Gehirns bezeichnet – als dem genauen Gegenteil zum sich erinnern. Doch das stimmt so nicht; denn oftmals ist Vergessen auch ein wichtiger und aktiver Prozess. Zu vergessen ist zum Beispiel eine grosse Hilfe, um Unwichtiges von Wichtigem zu trennen und zu unterscheiden. Das wiederum ist eine entscheidende Voraussetzung zur Problemlösung oder auch zum abstrakten Denken.
Die zellulären Mechanismen von Lernen, Erinnern und Vergessen sind sich in den einzelnen Hirnarealen sehr ähnlich. Nicht abschliessend erforscht ist jedoch, ob die Erinnerung tatsächlich gelöscht oder ob der Zugang zu ihr erschwert, anders gesagt schwieriger wird. Mit jedem gedanklichen Abruf ändert sich das Erinnern. Traumatische Erinnerungen beispielsweise werden, bildlich gesprochen, wie schreibgeschützt gespeichert.
Erinnerung vom Bewusstsein ins Unterbewusstsein verschieben
Psychologisch wird Bewusstsein als die Summe sämtlicher psychischer Vorgänge bezeichnet, die sich der Mensch gegenüber der Aussenwelt und sich selbst bewusst macht.
Das klingt etwas sperrig, ist aber im Lebensalltag ein geradezu automatischer Vorgang.
Im Gegensatz dazu werden alle nicht vom Bewusstsein gesteuerten psychisch-geistigen Vorgänge vom Unterbewusstsein gesteuert und dort auch abgespeichert. Hier werden Erlebnisse und Vorstellungen, Eindrücke sowie Handlungen gesammelt, die momentan nicht aktiv und dennoch vorhanden sind. Der Mensch kann oder will sich nicht an sie erinnern – sie verblassen oder verschwinden auf Dauer aus dem Gedächtnis und somit auch aus dem Bewusstsein.
Motiviertes Vergessen verändert nicht die Erinnerungen, sondern den Kontext
Das directed forgetting, zu Deutsch das motivierte Vergessen ist eine der wissenschaftlich weitgehend ergründeten Formen des Vergessens – Erlebnisse wie die traumatischen Erinnerungen werden verdrängt, wie es heisst, geraten sie zunehmend mehr in den Hintergrund. Dieser adaptive, auf einer Anpassung beruhende Prozess geschieht als motiviertes Vergessen sowohl bewusst als auch unbewusst – Stichwort: ursprüngliche Konzeption von Sigmund Freud.
Die Erinnerung bleibt in ihrem Kern unverändert – geändert bis angepasst wird jedoch der Kontext als deren Zusammenhang oder Umfeld. Während nach der Theorie von Freud das motivierte Vergessen eine Verdrängung bedeutete, ist es nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen und Thesen vielmehr ein ganz bewusster Abwehrmechanismus – durch ihn werden bestimmte, zum Beispiel traumatische Erinnerungen aus dem Bewusstsein verbannt mit dem Ziel, dass sie nicht wieder zurückkehren können.
Kognitive Kontrolle – Schlüssel zum motivierten Vergessen
Mit kognitiver Kontrolle wird die Fähigkeit bezeichnet, Entscheidungen zu treffen oder Reaktionen zu hemmen mit dem Ergebnis, das Eigeninteresse bestmöglich zu verbessern und zu optimieren. Die kognitive als Teilgebiet der allgemeinen Psychologie beschäftigt sich mit Vorgängen zum Erwerb, Gebrauch oder zur Modifizierung von Gedächtnisinhalten – Stichwort: Denken, Bewusstsein, Vergessen.
Motiviertes Vergessen mit dem gezielten Verdrängen von Informationen geht nicht ohne, wenn auch unbewusste, kognitive Kontrolle. Dieser Zusammenhang ergibt sich aus der gezielten Absicht des Verdrängens – ganz unabhängig davon, ob das bewusst oder unbewusst, absichtlich oder unabsichtlich geschieht. Insofern ist das motivierte auch ein gerichtetes Vergessen als Vorgang im Gehirn, bei dem irrelevante Situationen wie traumatische Erinnerungen als solche erkannt, gezielt aussortiert und im Ergebnis gelöscht bis hin zu vergessen werden.
Motiviertes Vergessen – Ursachen und Wege dorthin
Abbau negativer Emotionen
Negative Emotionen von der Angst bis zur Wut, wie Scham, Schuld oder Trauer haben eine belastende Wirkung – sie drücken auf die Psyche und sind im wahrsten Sinne des Wortes schmerzhaft. Der Mensch ist schmerzempfindlich und bestrebt, Schmerzen möglichst zu vermeiden oder, noch besser, sie erst gar nicht aufkommen zu lassen. Das gilt auch für eine störende Erinnerung. Sie verursacht seelischen, der sich im schlimmsten Fall bis zu einem körperlichen Schmerz ausweiten kann.
An diesem Punkt setzt das wohltuende motivierende Vergessen ein. Schafft es der Betroffene, diese schmerzvolle Erinnerung aus seinem Langzeitgedächtnis und dem Bewusstsein zu verdrängen, dann verlieren sich die negativen und machen Platz für positive Emotionen.
Aufrechterhaltung einer menschlichen Bindung
Der Wunsch oder die Notwendigkeit des Aufrechterhaltens einer menschlichen Bindung kann durchaus stärker und nachhaltiger sein als die Erinnerung an ein überaus traumatisches Ereignis – Stichwort: traumatisches Kindheitserlebnis.
Die Bindung an die Mutter als lebenswichtige Person soll bestehen bleiben und weiterhin gepflegt werden. Dabei hilft das motivierte Vergessen des Erlebten, weil die Erinnerung daran mit dem Bindungswunsch als solchem weder kompatibel noch lebbar wäre. Im jetzigen Leben steht die Bindung im Vordergrund – das traumatisch Erlebte rückt in den Hintergrund. Es wird verdrängt, es verblasst und verliert zunehmend an Gewicht.
Bestätigung von eigener Einstellung und Überzeugung
Es liegt in der Natur der Sache, dass tiefste Überzeugungen häufig so stark verwurzelt sind und tief sitzen, dass sie auch durch gegenteilige Beweise nicht erschüttert werden können. Diese Starrheit, die von Außenstehenden landläufig als Sturheit wahrgenommen wird, ist in vielen Fällen auf ein motiviertes Vergessen im Unterbewusstsein zurückzuführen.
Die Situation wird noch dadurch begünstigt, dass die Neigung dazu besteht, sich bewusst oder unbewusst ausschliesslich selektiv sowie vorwiegend an Informationen zu erinnern, die der eigenen Überzeugung entsprechen. Anders gesagt wird das ausgewählt, was zur eigenen Meinung passt, sie bildet und prägt. Dem auf den Grund zu gehen bleibt der Psychologie vorbehalten.
Bewahrung des Selbstbildes
Die Neigung, das eigene Selbstbild zu schützen, ist bei jedem mehr oder weniger stark ausgeprägt – Stichwort: Selbstwert und Selbstbewusstsein.
Dazu trägt massgeblich bei, sich an Positives zu erinnern und Negatives zu vernachlässigen bis zu ignorieren – als eine Form des motivierten Vergessens.
Das ergibt sich bewiesenermassen überaus häufig in Situationen, in denen die Bedrohung der eigenen Identität subjektiv empfunden wird. In derartigen Fällen bestehen Wunsch und dringendes Verlangen, jegliche Kritik oder Negatives in Form von Kommentaren aus dem eigenen Gewissen zu vertreiben, bestenfalls rückstandslos zu eliminieren. Übrig bleibt ausschliesslich Positives als Faktum sowie ausreichend Platz für die neue Entwicklung von Positivem.
Rechtfertigung unangemessenen Verhaltens
Ein Verhalten, das nicht mit dem Selbstbild des Betroffenen korrespondiert, erzeugt automatisch Unbehagen und Dissonanzen. In derartigen Situationen ist das motivierte Vergessen eine durchaus erfolgreiche Strategie, um sich selbst nicht in Frage zu stellen. Die Folge: Der selbstgeschaffene Status quo bleibt bestehen und geradezu unanfechtbar.
Aus dem Blickwinkel der Psychologie ist diese Verhaltensweise eine Gratwanderung hin zur Neurose. Die ist ganz überwiegend eine durch unverarbeitete Erlebnisse entstandene psychische Störung – im äussersten Fall kann sie sich auch in körperlichen Funktionsstörungen äussern.
Dieses Stadium des motivierten Vergessens kann dazu führen, dass gesellschaftliche, moralische oder auch gesetzliche Regeln wahlweise vergessen, gebeugt oder gar nicht mehr eingehalten werden.
Unterdrücken – wirksamer Mechanismus für motiviertes Vergessen
Das Unterdrücken ist ein Zurückhalten oder nicht aufkommen lassen von beispielsweise Gefühlen und Empfindungen, die von sich aus hervortreten und sich bemerkbar machen wollen. Dieser bewusste und gleichzeitig freiwillige Mechanismus schränkt Erinnerungen sowie Gedanken an Erlebnisse ein, die der Betroffene nicht akzeptieren bis nicht wahrhaben will.
Die stark ausgeprägte Unterdrückung als Ablehnung der Erinnerung reicht bis zum motivierten Vergessen. Eine derartig aktive Zurückweisung löst neuronale Prozesse aus. Sie verhindern den Zugriff auf das unerwünschte Gedächtnis, so als ob der Weg dorthin blockiert wird mit dem Ergebnis, dass irgendwann ein Abrufen aus dem Gedächtnis nicht mehr möglich ist – Stichwort: Grad und Ausmass an Vergesslichkeit.
Resümee – Bewusstsein lässt sich durch motiviertes Vergessen gezielt steuern
Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es durchaus möglich und machbar ist, das Bewusstsein durch ein motiviertes Vergessen ganz gezielt zu steuern und dauerhaft zu beeinflussen.
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Quellenangaben:
– wikipedia.org
– wikibrief.org
– dewiki.de
– arbeitsblaetter.stangl-taller.at
– grin.com
– karteikarte.com
– studocu.com
– musa.news
– duden.de
©sportmentalakademie.com – Auf Kopieren oder anderweitiges Vervielfältigen wird mit rechtlichen Schritten reagiert.
Der Autor
Name: Roger Erni
Beruf: Coach & Ausbildner
Website: Sport Mental Akademie
Motto: Erfolg beginnt im Schritt zu sich selbst.
Ausbildner in: Mentales Training im Sport
Als erfahrener Mental Trainer und Betreuer von renommierten Sportlern, weiss Roger Erni, Erfolg ist kein Zufall, Erfolg ist lernbar. Roger Erni begleitet bereits seit vielen Jahren Spitzensportler auf ihrem Weg zum Erfolg. Seine stärkste Leidenschaft gebührt der Prozessbeobachtung. Zudem entwickelt und erschafft er gerne ressourcenorientierte Projekte. Er ist der Überzeugung, dass jeder seine gesetzten Ziele erreichen kann. Mit dieser Einstellung öffnet er unseren Kunden die Tore zur spannenden Welt des mentalen Trainings und lässt sie kontinuierlich reflektieren. Die Kunden der Sport Mental Akademie, können mit Roger Erni auf einen sehr erfahrenen Mental Trainer zurückgreifen. Roger Erni berät sie mit hoher Professionalität. Er hat einen sehr hohen Anspruch an seine Coaching Aufgabe und möchte dabei Qualität vermitteln. Seine Stärken bestehen darin, sich gezielt auf ein Individuum einzulassen und zu fördern.