Viele von uns empfinden eine missglückte Aktion oder ein fehlgeschlagenes Projekt als ein Versagen. Dabei wusste bereits einer der Erfinder der Glühbirne, Thomas Edison, dass er mit seinen zahlreichen missglückten Versuchen nicht versagt hatte, sondern etwas sehr wichtiges erreicht: Gemäss eines seiner Zitate sah er seine vielen Fehlversuche als einen wichtigen Teil seines späteren Erfolges. 10.000 Wege hatte er gefunden, die nicht funktionieren, ihn dafür aber immer weiter zum Experten seines Projektes machten. Denn jeder Misserfolg verhalf ihm zu neuem Wissen, das es damals noch nicht gab. Somit konnte er sich seinem ambitionierten Ziel immer mehr annähern, bis er es eines Tages erreichte. Wie können wir ebenfalls einen positiven Bezug zum Misslingen oder ungewollten Ergebnissen entwickeln, um nicht zu früh aufzugeben? Das Konzept des Dynamischen Mindset (Growth Mindset) kann uns hierbei helfen.

Growth Mindset

Im Modell des Growth Mindset unterscheidet die Psychologin Carol Dweck zwischen dem Statischen Selbstbild (fixed mindset) und dem Dynamischen Selbstbild (growth mindset). Fähigkeiten und Intelligenz sind beim Statischen Selbstbild grundsätzlich vorgegeben und wenig veränderbar. Entsprechend besteht Erfolg bei diesem Selbstbild darin, gute Noten zu haben, zu gewinnen bzw. der/die Beste zu sein. Dabei zählt nur das Ergebnis und Fehler werden gleichgesetzt mit einem Mangel an Kompetenz. Das Ergebnis: Die Motivation sinkt, sobald es einmal nicht läuft. Im Gegensatz dazu vertritt das Dynamische Selbstbild die Annahme, dass Fähigkeiten und Intelligenz grundsätzlich entwicklungsfähig und veränderbar sind. Erfolg bedeutet: „Lernen, um etwas besser zu verstehen und besser zu können.“ Fehler werden als absolut unverzichtbare Hinweise für Entwicklungsmöglichkeiten betrachtet. Dadurch steigen Motivation und Leistungsbereitschaft. Beispiele einiger Aussagen verdeutlichen den Unterschied zwischen Growth und Fixed Mindset:

Growth: Ich kann alles lernen was ich will
Fixed: Ich kann nicht ändern, ob ich etwas gut kann oder nicht

Growth: Ich lerne aus Misserfolgen
Fixed: Aus Misserfolgen schliesse ich, dass ich schlecht bin

Growth: Sag mir, dass ich mich anstrenge
Fixed: Sage mir wie talentiert und schlau ich bin

Growth: Wenn ich frustriert bin, halte ich durch
Fixed: Wenn ich frustriert bin, gebe ich auf

Mindset und Umgang mit Misserfolg

Dweck hat in zahlreichen Studien mit Schülern und Erwachsenen bestätigt, dass Menschen mit statischem Selbstbild bei Misserfolg eher mit Hilflosigkeit reagieren, leichter unter Druck geraten und sich selbst in Frage stellen. Das dynamische Selbstbild beinhaltet die Annahme, dass der Mensch sich zu einem gegebenen Zeitpunkt auf einem bestimmten Entwicklungsstand befindet und dass er auf dieser Basis viele neue Dinge erlernen kann. Menschen mit dynamischem Selbstbild denken eher wachstumsorientiert. Bei Misserfolg überlegen sie, was sie noch entwickeln oder verändern möchten. Erfolg besteht nicht darin, etwas unter Beweis zu stellen, sondern etwas zu lernen. Etwas besser zu schaffen als zuvor, etwas Neues zu verstehen. Das Kriterium ist also nicht, etwas für die Aussenwelt sichtbares und beeindruckendes zu schaffen, sondern im persönlichen Inneren in Übereinstimmung mit seinem Ziel eine Sache besser zu machen als vorher. Das Leistungsziel oder Ergebnisziel wird somit zum Entwicklungsziel. Damit bin ich Herr oder Frau meiner eigenen Handlungen, meine Motivation ist höher und mein Erfolg tatsächlich wahrscheinlicher.

Den Begriff Erfolg genauer beleuchten

Erfolg ist die erwünschte Folge meiner absichtlich ausgeführten Handlungen auf dem Weg zu meinem ausgesuchten Ziel. So ist die ursprüngliche Definition. Im Gegensatz dazu wird das Wort Erfolg in unserer Gesellschaft oft in einem Kontext verwendet, bei dem es ausschliesslich um den Gewinn von etwas oder um die Steigerung einer Leistung geht. Oftmals verbunden mit der Absicht, von anderen Menschen Anerkennung für das Ergebnis zu bekommen. Sei es eine Jobbeförderung, ein hohes Einkommen, ein Sieg im Wettkampf oder das Aufstellen eines sportlichen Rekordes. Diese Ziele bezeichnet man als Ergebnis– und Leistungsziele. Und genau an diesem Punkt unterscheidet das Growing Mindset zwischen verschiedenen Zielen und legt die Betonung auf die kleinen Zwischenziele: Zwar ist es wichtig, sich auch als Endziel ein Leistungsziel oder Ergebnisziel zu setzen- dieses sollte jedoch immer das eigene, intrinsisch motivierte und realistische Ziel sein. Und das wichtigste ist, dass es auf vielen kleinen Entwicklungszielen basiert. Diese vielen kleinen Ziele sichern das fortlaufende Gefühl des Erfolges und der Freude auf dem Weg zum Endziel. Genau das brauchen wir für unsere Motivation und das steigert die Wahrscheinlichkeit, hochgesteckte Ziele zu erreichen und nicht zu früh aufzugeben.

Nutzen und Umsetzung des Growth Mindset

Ein Mensch mit einem dynamischen Selbstbild hat die Grundeinstellung, dass er/sie in seinen Fähigkeiten durchaus veränderbar und entwicklungsfähig ist. Wenn es einem Menschen gelingt, sich für diese Grundeinstellungen zu sensibilisieren und Herausforderungen oder Misserfolg im Sinne eines dynamischen Mindsets zu betrachten, hat dies eine große Auswirkung auf den weiteren Umgang mit Fehlern, Motivation und Veränderungsprozessen. Der Person wird eine urteilsfreie Selbstreflexion ermöglicht, die ihr weitere Handlungsmöglichkeiten eröffnet und sie nicht stagnieren lässt. Eine urteilsfreie Selbstreflexion ist der eigentliche Key und bedeutet, ehrlich hinzuschauen und zu fühlen oder zu sehen, wie sich die Situation darstellt. Verschiedene Techniken und Tools bieten sich für diesen Prozess an, von denen hier nur eine Auswahl angeboten wird:

  • Bei Unsicherheit des eigenen Endziels: Mit Wertehierarchien arbeiten
  • Für das Aufrechterhalten der Motivation: Mit Zieltreppen oder Timeline Coaching arbeiten. Hier sollte eine Betonung auf den Entwicklungszielen stattfinden
  • Zum wertfreien Betrachten einer Situation, um weiterführende Handlungsmöglichkeiten zu erkennen: Das Schreiben einer urteilsfreien Selbstreflexion.

Ein Coach kann in Begleitungssitzungen Menschen dabei unterstützen, mit diesen Methoden zu arbeiten. Der Kunde findet dabei sein eigenes Ziel, lernt es in erfolgsversprechende kleine Schritte einzuteilen, um dann mit Spass auf das Endziel hinzuarbeiten und auch Durststrecken zu überwinden.

Quellenangaben:
– Dweck, C.: Mindsets: Developing Talent through a Growth Mindset. Olympic Coach, 21, 2009, S. 4

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Der Autor

Name: Dr. Kirsten Koch

Beruf: Betrieblicher Mentor, Sport Mental Coach

Website: kirstenkochtraining.com

Motto: Erfolg und Misserfolg gehören zusammen

Dr. Kirsten Koch

Mit ihrer Erfahrung und Wissen als Mental Coach, Biologin und Wettkampfsportlerin zeigt Kirsten Koch unseren Kunden, wie sie ihre Erfolge herbeiführen können. Kirsten Koch verbindet ihre Erfahrungen als Leistungssportlerin in Tennis und Triathlon mit ihrem naturwissenschaftlichen Hintergrund aus der Neurobiologie. Die Parallelen zwischen dem menschlichen Verhalten im Sport und dem alltäglichen Umfeld faszinieren sie. Deshalb unterstützt sie Sportler und Sportbegeisterte dabei, ein dynamisches Mindset zu entwickeln. Bei unseren Kunden geht es ihr vor allem um die Entwicklung der Fähigkeit, Ergebnisse gewinnbringend zu deuten und daraus den Transfer für wirksame Ziele zu machen.