Die mentale Wettkampfvorbereitung beginnt bereits mit der Auswahl und Anmeldung für einen Wettkampf. Mit der Gestaltung einer Vision und dem Setzen von Zielen, setze ich mich bereits mental damit auseinander, welche Ressourcen ich habe, welche Anforderungen ich erfüllen kann und will und lege so bereits sehr früh den Grundstein für meine Performance im Wettkampf.
Wie bei der Ernährung, dem Techniktraining oder Ausdauertraining, braucht auch das Training der mentalen Fähigkeiten und damit die mentale Wettkampfvorbereitung Zeit um sich zu entwickeln. Mit diesem Grundverständnis ist klar, dass der Start mit einer strukturierten mentalen Wettkampfvorbereitung drei Wochen vor dem Start zu spät ist.
Genauso, wie alle anderen Bereiche im Sport trainiert werden, gilt es auch die mentalen Fähigkeiten frühzeitig strukturiert so zu trainieren, dass beim Start die Fähigkeiten automatisch und auf einem hohen Niveau abgerufen und umgesetzt werden können. Wie kann man das nun konkret auf die mentale Wettkampfvorbereitung bezogen umsetzen: Als Basis dient «nicht wiederholbares Training». Das heisst, dass eine Trainingseinheit zu einem fix bestimmten Zeitpunkt stattfindet und es keine Wiederholung gibt – egal was passiert. Die Einmaligkeit verändert die Anforderungen an sich selbst, sowie die, die von aussen gestellt werden. Je mehr die Einmaligkeit ausgeschmückt wird, beispielsweise durch Ankündigungen im Umfeld oder durch ein «Preisgeld», desto näher kommt die Sequenz einer Wettkampfsituation. Damit schafft man eine Möglichkeit, die mentale Wettkampfvorbereitung anzuwenden und weiterzuentwickeln. Ganz konkret könnte das so aussehen, dass ein 10 km Testlauf nicht einfach am Samstagmorgen durchgeführt wird, sondern am Samstagmorgen 9:30 Uhr mit Start am Dorfbrunnen. Alle Freunde sind darüber informiert und wissen, dass dieser Lauf in unter 40 Minuten absolviert werden soll.
Eine kürzere Form des «nicht wiederholbaren Trainings» ist Prognosetraining. Das heisst, dass für kürzere Sequenzen eine Prognose über die Leistung abgegeben wird, die man erzielt. So wird eine Challenge geschafft, in der wiederum Wettkampfähnliche Bedingungen herrschen und die mentale Vorbereitung trainiert und entwickelt werden kann.
In der Training-Phase der Saison ist die ideale Zeit dafür, die vergangene mentale Wettkampfvorbereitung zu analysieren und Inputs für das aktuelle Training zu identifizieren. Die Trainingsphase ist auch die ideale Möglichkeit, um sich Regulationstechniken in Ruhe und nachhaltig anzueignen. Das Ausprobieren und Herausfinden, welche Tools für einen passen und funktionieren braucht seine Erfahrung und Zeit. Ein weiteres wichtiges Feld für die mentale Wettkampfvorbereitung ist die Arbeit mit Zielen, was ebenfalls bereits ins Training eingebaut werden kann und in späteren Phasen, näher am Wettkampf, einen mentalen Vorteil bringt. Wenn ein Wettkampf als Ziel gesetzt ist, passiert es oft, dass die Zielarbeit als abgehakt in den Hintergrund verschwindet. Weshalb bleibt die Zielarbeit dennoch wichtig? Ziele können und müssen sich manchmal aus unterschiedlichsten Gründen verändern. Sei es, weil sich unsere eigenen Bedürfnisse verändern oder weil sie durch äussere Gegebenheiten verändert werden. Und zwar in negative und positive Richtung. Der effiziente, bedürfnis- und ressourcenorientierte Umgang mit Zielen ist vor und während Leistungssituationen teilweise sogar matchentscheidend, denn Zielarbeit ist die Grundlage der Motivation und diese lässt uns oftmals mehr leisten als wir selber glauben.
Kommt der Wettkampf näher und rückt mehr ins Bewusstsein, ist es an der Zeit für eine persönliche Leistungsanalyse, die Gegneranalyse, die Analyse der Wettkampfbedingungen, das Erarbeiten der Wenn-Dann-Strategien sowie der Identifizierung und Visualisierung des Ziels. An diesem Punkt möchte ich nochmals verdeutlichen, dass es sich lohnt, bereits früh in das Thema zu investieren. Neben den Analysen bleibt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel Zeit, um in Training und Entwicklung zu investieren. Zudem sind die Erkenntnisse aus den Analysen umso wertvoller, wenn sie in bestehende und funktionierende Prozesse involviert werden können. Ohne die Basis unterliegt der Erfolg von Massnahmen anhand der Analysen zu einem grösseren Teil dem Zufall.
Wenige Wochen bis Tage und Stunden vor der Leistungserbringung findet die unmittelbare mentale Wettkampfvorbereitung statt. Oft ist in dieser Zeit noch ganz viel Anderes auf dem Plan. Beispielweise die Verabschiedung des Umfelds, das Packen, die Gewöhnung an eine neue Umgebung und Besprechungen mit Medien und Sponsoren. Diese Herausforderungen binden mentale Ressourcen und birgen das Potential für unvorhergesehene und störende Ereignisse. Ist eine mentale Wettkampfvorbereitung erarbeitet, können solche Stolpersteine einerseits lockerer weggesteckt werden und andererseits sind durch die erarbeitete Routine Ressourcen vorhanden.
Steht der Wettkampf unmittelbar bevor, gilt es, in die eigene leistungserbringende Rolle zu schlüpfen und so die anderen sozialen Rollen mit ihren Bedürfnissen und Zielen kontrolliert in den Hintergrund zu stellen. Je nach Dauer des Wettkampfs oder der Wettkampfphase ist die Rollen-Arbeit umso wichtiger, denn das Risiko ungewollt aus der Leistungsrolle zu fallen wächst. In der Vorbereitung gilt es also herauszufinden, welche sozialen Rollen mit in die Wettkampfphase kommen und ihr dienlich sind und welche zurückstehen müssen. Es lohnt sich zu erarbeiten und trainieren, was getan werden muss, um die unterschiedlichen Rollen kontrolliert einnehmen zu können, sodass gewinnbringend zwischen ihnen gewechselt werden kann.
Ist die leistungserbringende Rolle eingenommen, gilt es den Körper und den Geist an die bevorstehende Leistungserbringung zu gewöhnen. Dazu empfiehlt es sich, die wahrgenommenen Eindrücke des eigenen Körpers, der Umgebung und der Gedanken anzunehmen und bewusst zu verarbeiten. Die Wertefreiheit ist dabei ein entscheidender Punkt. Nur weil sich der Körper schlecht anfühlt bedeutet dies nicht, dass man eine schlechte Leistung bringt. Genau so, wie ein positives Gefühl leider keine Garantie für eine gute Leistung ist.
Durch die bewusste Regulation der Wahrnehmung steigt der Fokus auf sich selbst, die Leistungserbringung und so die Konzentration. In diesem Zustand angekommen gilt es die Entscheidungsfähigkeit und damit die Handlungsfähigkeit zu aktivieren. Das Ziel dabei ist es, direkt beim Start die volle Performance abzurufen und beispielsweise eine anfängliche Orientierungsphase vorzuholen. Verpasste Anspiele und Tore in den ersten Spielsekunden sind schöne Beispiele für diesen mentalen Ansatz. Mental beginnt das Spiel schon Sekunden oder Minuten vor dem Piff.
Für die Orientierung in den erläuterten Phasen und Schritten im Prozess der mentalen Wettkampfvorbereitung, bieten sich Routinen und Rituale für die Übergänge an. Beispielsweise können unterschiedliche Kleidungsstücke als Orientierung bei den verschiedenen Rollen helfen und das Binden der Schnürsenkel das Zeichen zum Abschluss der Angewöhnung von Körper und Geist an die Leistung sein. Die Verwendung von Handlungen, die ohnehin vorgenommen werden, als Rituale und Routinen, geben Sicherheit und Orientierung. Im Vergleich zu zusätzlichen Handlungen, verfällt das Risiko, dass sie vergessen gehen oder aus anderen Gründen nicht durchgeführt werden können.
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Der Autor
Name: Andreas Baumgartner
Beruf: Mentaltrainer und Coach
Website: kopfbenzin.ch
Motto: Das Problem ist nicht das Problem. Das Problem ist die Einstellung zu dem Problem.
Ausbildner in: Mentales Training im Sport
Andreas Baumgartner nutzt seine persönlichen Erfahrungen im Mental Training und bringt diese als Ausbildner mit ein. Andreas Baumgartner macht seine persönliche Erfahrung mit Mentaltraining als Langdistanz Triathlet, im Schiessen und in seiner mehrjährigen beruflichen Tätigkeit als Mitglied und Einsatzleiter in einem High Performance Team. Berufsbegleitend studiert Andreas im 9. Semester angewandte Psychologie. Es bereitet ihm sehr viel Freude im sportlichen Umfeld zu arbeiten und seine fachlichen und praxisnahen Erfahrungen in diesen Bereich zu investieren.